barthroemer startbarthroemer kontrabass - Groove Chanson in Gleis11

Sie muss noch wachsen. Die Hochkultur in Quadrath-Ichendorf. Aber sie gibt sich Mühe. Die Zuschauerzahl bei „barthroemer kontrabass“ am Sonntag der Europawahl war ausbaufähig, aber das Programm war erstklassig: Die Sängerin Astrid Barth, der Gitarrist Philipp Römer und der Kontrabassist Thomas Fritze haben im Gleis11 gezeigt, dass man intelligente Texte, mitreißenden Groove und eine fulminante Bühnenperfomance miteinander verbinden kann. 

Gefragt, wer ihre Vorbilder seien, sagt Astrid Barth: Natürlich Ella Fitzgerald, die legendäre Jazzsängerin, dazu auch Bonnie Raitt, die amerikanische Blues- und Country-Sängerin, außerdem Skin, aka Deborah Anne Dyer, die Frontfrau von Skunk Anansie. Oops. Was jetzt? Was für einen Stil singt sie denn nun? Ja, da sind wir bei der Sache. Ihr Stil ist einzigartig. Jeder Song bringt eine neue Farbe, der Blues ist die Basis, dann wird’s auch mal rockig, plötzlich schaut ein Bossa Nova um die Ecke, der Swing spielt immer irgendwie mit, und ganz nebenbei wird als Pausenstück ein Gypsy-Guitar-Feeling angeboten. Sie selbst nennen ihren Stil „Groove Chanson“ – eine treffende Bezeichnung, denn es geht ihnen nicht nur um die intelligenten und originellen Texte, sondern auch um den Groove, den Rhythmus, die kunstvolle musikalische Grundierung der Performance.

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Was für eine Band! Sie haben eine politische Botschaft: gegen rechts. Gegen das Spießertum. Für das Sich-Einmischen. Aber das ist nicht alles. Sie singen vom Leben. Und das extrem originell, selbst wenn es um Banalitäten geht. Du willst was zu essen? Einen Platz zum Schlafen? Abenteuer erlebst du aber woanders? Kein Mensch weiß mal wieder, wo du warst! Die Phantasie des Zuschauers umzingelt einen egozentrischen Lover – weit gefehlt: Es ist die Katze, die am liebsten auf der Fensterbank liegt und sich streicheln lässt.

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Astrid Barth


Den Bandalltag beschreibt der Song „Ich bin zu wenig Diva“. Dieser wunderbare Blues zeigt eine sympathische Band, mit der der Bühnentechniker zufrieden ist, die Kellnerin ebenso, es gibt keine Catering-Extra-Wünsche, kein Fahrdienst wird angefordert, aber der feindliche Ego-Künstler hat die komplette Garderobe besetzt: „Wir haben uns schon auf dem Klo frisiert!“ – Köstlich!

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Philipp Römer


Sehr politisch geht es in dem Stück „Menschenleben“ zu: „Manche Menschen leben sehr bequem und sehr viele katastrophal.“ Doch die kommen bei uns nicht rein; wir stellen uns blind. 

Innerlich wird es in dem Song „Gepäck“: „Du fühlst dich ungebunden, doch du hast dein Gepäck immer dabei.“ Auch in dem Cover-Song von Meike Koester aus Braunschweig, „Mach die Leinen los“, geht es um deine Lebenseinstellung: „Mach die Leinen los, lass den Dampfer ziehen, manchmal muss man gehen, um zu sehen, was bleibt.“ 

Wie man eine Verbindung zwischen dem Urlaubsglück des Zeltens und dem Bossa Nova herstellen kann, zeigt die Band beschwingt und komisch mit dem Song „Bus a nova“. Und wenn man dann aus dem Urlaub zurückkommt, droht „Trautes Heim“, eine kleine spießbürgerliche Idylle, nach dem Motto: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht.“ Um Irrtümern vorzubeugen: In diesem Fall singt die Band mal nicht über sich - sondern über die anderen...

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Thomas Fritze


Und dann wird’s nochmal stark politisch: Im „Rattenfänger“ singen sie gegen die Rechtspopulisten an: „Sie bieten schlechte Lösungen an, die kosten nicht viel, sie kosten nur das Selberdenken und das Mitgefühl.“ 

Und sie setzen dagegen ein Lebensgefühl, das erwärmt: „Kalte Winter sind nicht mein Ding, die machen die Seele krank, ich gehe dahin, wo das nächste Feuer brennt.“

Wer mal erleben wollte, wie Text und Musik sich verbinden, wie man ein Publikum mit Verstand und Gefühl mitreißen kann, der war an diesem Abend reichlich belohnt worden. 

„barthroemer kontrabass“ haben im Gleis11 ein Zeichen gesetzt, politisch, musikalisch, menschlich. 

Bernd Woidtke